Ein Beitrag von Doris Hertel, Leiterin Transaktionsmanagement und Finanzierung
Mehr als eineinhalb Dekaden war der deutsche Immobilienmarkt bevorzugter Investitionsraum nationaler und internationaler Kapitalanleger. Mittlerweile bewegt sich das Transaktionsaufkommen auf einem konstant niedrigen Niveau – mit zum Teil erheblichen Auswirkungen, wie die jüngsten Verwerfungen bei Marktbegleitern gezeigt haben. Wenn man der nahezu einhelligen Marktmeinung Glauben schenken darf, stehen wir erst am Anfang dieser Entwicklung. Ist die Veräußerungsfähigkeit bei Bestandsobjekten entsprechender Qualität noch gegeben, so zeigt sich die Käuferseite bei Projekten, die zur (Weiter-)Entwicklung vorgesehen sind, zurückhaltend. Eine Ausnahme sind hier vielleicht noch Projekte des geförderten Wohnungsbaus.
Die Knackpunkte der Preisfindung
Verwunderlich ist das nicht, denn es hapert insbesondere an der Preisfindung. Häufig heißt es dann, dass der Projektentwickler zu teuer eingekauft oder zu optimistisch finanziert habe und nun die Quittung dafür erhalte. Das mag im Einzelfall stimmen. Unsere Erfahrungen zeigen allerdings häufig, dass das Wertsteigerungspotenzial seitens des potenziellen Käufers nicht angemessen berücksichtigt wird. Beispiel Wohnungsbau: Die Angebotsknappheit führt bereits jetzt zwangsläufig zu steigenden Mietenniveaus und das schon lange nicht mehr ausschließlich in den Metropolen. Gleichzeitig nimmt die Nachfrage nach Mietobjekten kontinuierlich zu, nicht zuletzt durch Interessenten, die sich aufgrund der gestiegenen Zinsen den Kauf einer Immobilie nicht mehr leisten können oder das finanzielle Risiko scheuen. Die Konsequenz ist ein großes Potenzial bei Wohnimmobilien, das hoch bleibt, aber nicht immer ausreichend gewürdigt wird.
Aber natürlich sind auch wir als Projektentwickler gefragt, angemessen mit der aktuellen Marktsituation umzugehen. Daher geben wir derzeit nur selektiv eigene Projekte in die Umsetzung und richten unsere Planungen klar auf einen mittelfristigen oder späteren Exit aus. Den jüngsten Erfahrungen nach ist es nicht mehr als ausreichend, dass Baurecht geschaffen, die Kreditvergabe erfolgt ist und die Verhandlungen mit dem Generalunternehmer Kostensicherheit bieten. Heute müssen vielmehr die Fertigstellungsrisiken überschaubar und die Bonität der bauausführenden Unternehmen gesichert sein. Vor diesem Hintergrund planen wir nun eher mit einem Exit nach Fertigstellung des Rohbaus – oder sogar noch später.
Wann ist der Peak erreicht?
Eine echte Belebung des Transaktionsgeschäfts über alle Assetklassen hinweg erwarten wir, wie viele andere Marktteilnehmer auch, frühestens für die zweite Hälfte des kommenden Jahres. Zwar gab es bereits vor der letzten Anpassung durch die EZB erste Stimmen, die den Peak bei den Zinsen erreicht sahen und vor einer Rezession warnten. Sie dürften nun nochmals lauter werden. Bei Sontowski & Partner bleiben wir aber bei unserer konservativen Prognose und glauben, dass die Bekämpfung der Kerninflation für die EZB Vorrang haben wird. Einen weiteren Zinsschritt vergleichbarer Größe noch in diesem Jahr halten wir für möglich, wenn auch nicht für zwingend. Und da die Erfahrung zeigt, dass das Maximalplateau in der Regel zwischen sechs und zehn Monaten gehalten wird, bevor eine Gegenbewegung einsetzt, erwarten wir eine Markterholung ab Mitte 2024.
Aufstrebende Akteure im Finanzierungsbereich
Da deutlich andere Fremdkapitalzinsen in die Kalkulation einfließen, zieht das auch die Forderung nach einer höheren Eigenkapitalverzinsung nach sich, insbesondere, wenn Mezzanine-Kapital eingesetzt wird. Neben diesen zusätzlichen Kosten verlangen zudem die finanzierenden Banken mittlerweile einen höheren Eigenmitteleinsatz. Ein ehedem klassischer Leverage von bis zu 75 – 80 Prozent gehört heute der Vergangenheit an. Mittlerweile ist ein LTV von 60 nahezu Standard – eine Entwicklung, die schmerzt. Basel IV zwingt die finanzierende Bank, eine Projektentwicklungsfinanzierung im Hinblick auf den Standardansatz des Kreditausfalls mit 150 Prozent zu behandeln, was dem Ansatz des Kreditausfalls gleichkommt. Mit anderen Worten: Eine Projektfinanzierung, bei der alles nach Plan läuft, muss die Bank behandeln wie eine Finanzierung, bei der Zins und Tilgung nur teilweise oder gar nicht geleistet werden – eine ausgesprochen befremdliche Situation. Die Folge ist, dass zukünftig vornehmlich Kreditinstitute als Projektfinanzierer in Betracht kommen, die selbst ausgesprochen eigenkapitalstark sind, während sich andere Häuser auf das Bestandsgeschäft konzentrieren werden. So kann es auch durchaus passieren, dass einzelne Banken eine Projektfinanzierung ablehnen. Auch wenn es selten so begründet wird, liegt in solchen Fällen die Vermutung nahe, dass die Eigenkapitalunterlegung zu teuer ist. Die Bankenregulierung führt insofern zu einem „cherry picking“ der klassischen Kreditfinanzierer, wodurch wiederum Raum für alternative Anbieter, insbesondere Debt Fonds geschaffen wird, die nach unserer Überzeugung weiter an Bedeutung gewinnen werden.
Die Rolle regionaler Banken in unsicheren Zeiten
In dieser Situation ist es gut zu sehen, dass vornehmlich die Volksbanken, Genossenschaftsbanken und die Sparkassen ihren regionalen Auftrag weiterhin sehr ernst nehmen. Anders als die großen Marktakteure, die sich deutlich zurückhalten, ziehen sich diese Häuser nicht aus dem Finanzierungsgeschäft zurück. Zwar ist bei Großprojekten das Engagement der Landes- bzw. Pfandbriefbanken immer noch erforderlich und üblich, aber zur Risikostreuung werden sehr viel schneller Konsortien gebildet, um kleinere Tickets zu ermöglichen – der Ruf „Big ist sexy!“ gilt nicht mehr.
Die aktuellen Rahmenbedingungen, die eine generelle Marktbereinigung erwarten lassen, bieten für Projektentwickler aber durchaus auch Chancen. Bei eigenen Projekten ist dabei das A und O, dass die Finanzierung von Anfang bis zum Ende gut und stabil durchdacht und aufgesetzt ist. Dabei müssen heute längere Laufzeiten aufgrund einer möglichen Haltephase nach Fertigstellung und die erhöhte Wahrscheinlichkeit von Projektverzögerungen mitgedacht werden. Gleichzeitig besteht aber auch über das Angebot von Service-Development-Leistungen eine gute Möglichkeit, zusätzlichen Cashflow zu generieren, wobei dieser Weg nicht für alle Marktteilnehmer in Betracht kommen wird: Gutes Service-Development setzt umfangreiche Erfahrungen auf diesem Gebiet voraus. Wer glaubt, es sei lediglich eine Variante des Standardgeschäfts, wird scheitern. Insbesondere die Auftraggeber sollten sich dieses Umstands bewusst sein.
Doris Hertel
Sontowski & Partner GmbH